
Alte Verbindungen zwischen Württemberg und Bessarabien
Auf dem Stadtplan sieht er aus wie ein Stern mit sechs Strahlen: der Bessarabienplatz, der bis vor kurzem noch gar nicht so hieß, sondern lediglich der Schnittpunkt von Florian-, Stuifen- und Roßbergstraße war. Dass der Kreuzungspunkt jetzt getauft wurde, geht auf die Initiative des Bessarabiendeutschen Vereins zurück, der an diesem Ort sein Heimathaus samt Museum hat. Der neue Name erinnert aber auch an ein Stück deutsche Geschichte.
Im Jahr 1954 hat die Stadt Stuttgart die Patenschaft für den Bessarabiendeutschen Verein übernommen. Sie bekam fleißige und engagierte Patenkinder: Die Bessarabiendeutschen, die nach dem Krieg mit Pferdegespannen in Stuttgart angekommen waren, packten beim Trümmerräumen und Wiederaufbauen kräftig an. Umgekehrt unterstützte die Stadt den Verein beim Erwerb des Hauses in der Florianstraße 17, das damals einer Ruine glich. Das Grundstück wurde in Erbbaupacht von der Brauerei Leicht übernommen, das Gebäude im Rekordtempo innerhalb eines Kalenderjahrs neu errichtet.

Die Verbindungen zwischen Bessarabien und Württemberg reichen lange zurück. Das Gebiet, das heute zu Moldawien und zur Ukraine gehört, wurde 1812 von Russland übernommen. Der damalige Zar Alexander I. war der Sohn einer württembergischen Prinzessin und Bruder von Königin Katharina von Württemberg. Er warb auch in Deutschland für die Besiedlung des Landstrichs, dessen Name auf das Fürstengeschlecht Basarab zurückgeht, also mit Arabien gar nichts zu tun hat.
Viele Württemberger, auch viele Stuttgarter, folgten dem Ruf in Richtung Schwarzes Meer. Rund 150 Jahre später kamen ihre Nachkommen zurück: „Rund 50- bis 80.000 Bessarabiendeutsche sind nach dem Krieg in Württemberg angekommen“, berichtete Werner Schäfer bei der Einweihung des Platzes. Er ist Bundesgeschäftsführer des Bessarabiendeutschen Vereins, hat sein Büro in der Florianstraße 17 und sagte sich beim Blick aus dem Fenster immer wieder: „Dieser Platz braucht einen Namen!“ Die Stadt Stuttgart nahm den Namensvorschlag positiv auf. Schließlich war er nahezu kostenneutral – und hier sei der ideale Ort, um an die Geschichte der Bessarabiendeutschen zu erinnern, sagte Bürgermeister Klaus-Peter Murawski bei der „Taufe“. Er dankte den „Patenkindern“ für ihre Beiträge zum Leben in der Stadt.
Wer mehr über die Bessarabiendeutschen erfahren will, ist im Heimathaus in der Florianstraße richtig. Ein Museum informiert über die Lebensart und die Geschichte der Siedler, zu denen auch die Vorfahren von Ex-Bundespräsident Horst Köhler gehörten. Neben vielen Utensilien aus dem dörflichen Leben sind auch umfangreiche Materialien zur Familienkunde zu sehen.
Der Verein hält aber nicht nur die Erinnerung an die kulturellen Wurzeln wach, er organisiert auch Reisen nach Bessarabien, ist in stetigem Kontakt mit den heutigen Bewohnern und unterstützt Projekte in der alten Heimat.
Das Heimatmuseum in der Florianstraße 17 (2.Stock) hat montags bis freitags von neun bis 18 Uhr geöffnet, für Gruppen auch nach Vereinbarung. www.bessarabien.de aia
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Bundesgeschäftsführer Werner Schäfer bei der Taufe des Bessarabienplatzes Foto: aia
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Bürgermeister Klaus-Peter Murawski enthüllt das Platzschild, rechts von ihm Vertreter des Bessarabiendeutschen Vereins. Foto: aia