Immer ein offenes Ohr: Ali und Meral Nemez
Bei Ali und Meral Nemez im Berger Lädle gibt es den täglichen Bedarf: frisches Obst und Gemüse, haltbare Lebensmittel, Getränke, Drogerieartikel, Telefonkarten, Zigaretten und mehr. Aber die beiden sind auch eine Drehscheibe des Lebens im Stadtteils, immer hilfsbereit, immer mit offenem Ohr für die Sorgen anderer. Nicht für ihr Geschäft, sondern für die Art und Weise, wie sie es führen und für andere da sind, hat das Ehepaar im Dezember die Ehrenmünze der Stadt Stuttgart verliehen bekommen.
Seit 1998 führt das Ehepaar den Laden in Berg. Als zehn Jahre später die Frauenklinik schloss und damit ein Teil des Umsatzes wegfiel, haben sie ihr Geschäft zugemacht. Ausgepowert und müde waren sie, wollten wie andere Leute weitermachen: mit geregelten Arbeitszeiten, Urlaub, Geld auf dem Konto, auch wenn sie krank sind. Aber die Berger haben die beiden vermisst und sie schließlich dazu gebracht, nach sieben Monaten wieder zu öffnen.
Wer sich eine Stunde hier aufhält, kann sich gut vorstellen, was Ali und Meral Nemez für den Stadtteil bedeuten. Da kommt ein Nachbar und bittet, ein Paket für ihn anzunehmen. Ali geht mit einem Kunden rauchen und macht dann seinen Kleinbus leer, weil jemand gefragt hat, ob er ihn für einen Transport ausleihen darf. Ein Senior aus dem Altenheim schaut rein und spricht mit Meral über einen Mitbewohner, der beiden Sorgen macht. Eine Frau erzählt von ihrer Diät, eine andere von Hüftproblemen. Das Berger Lädle ist auch ein bisschen Sozialstation im Stadtteil, zumal es kostenlos zu den Leuten nach Hause liefert.
Im Laden gibt es, was man zum Kochen, zum Backen und für alltägliche Haushaltsarbeiten benötigt. „Was die Leute brauchen, haben wir“, sagt Meral Nemez und fügt schmunzelnd hinzu: „Was wir nicht haben, das brauchen sie auch nicht.“ Das Lebensmittelsortiment wird ergänzt durch die Frischetheke mit Oliven, anderen eingelegten Leckereien und vor allem mit Merals eigenen Salaten.
Der Tag der beiden ist lang, Ali fährt schon in aller Frühe um drei zum Großmarkt und werkelt dann den ganzen Tag. Meral macht nach Feierabend noch den Haushalt. Zwei ihrer drei Kinder gehen noch zur Schule, die älteste Tochter hat mit ihrem Mann die Bäckereifiliale um die Ecke übernommen. Sie ist inzwischen Mama, sodass öfter mal auch das Enkelkind auf Merals Schoß im Laden sitzt.
Über die Ehrenmünze der Stadt Stuttgart, die ihnen im Dezember Bürgermeister Werner Wölfle überreicht hat, haben sich die beiden sehr gefreut. Schon vorher hat der SWR eine halbstündige Reportage über sie und ihr Lädle gedreht, die preisgekrönt wurde. 45 CDs davon hatte das Ehepaar im Laden und hat sie Kunden, immer mit der Bitte um Rückgabe, ausgeliehen. Jetzt sind alle weg. Aber auf Youtube kann man mit einigem Suchen den Film in Lang- und Kurzform noch finden. aia
Ali und Meral Nemez an der Frischkosttheke in ihrem Laden. Foto: aia